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Codiret No. 187


Heute über die Codirete, die Wiedereröffnung der RAR Gallery in Berlin-Charlottenburg und das zukünftige Ausstellungsprogramm, Arme Künstler in Berlin, Stonehenge und das Binnen-I


So, ich hoffe, Ihr habt sie vermisst, die Codirete! Seit einer Woche nix! Oh, Manno, aber ich war eben "zu" bis Oberkante Unterlippe. Das kann schonmal vorkommen. Die Frequenz wird sich ohnehin etwas ausdünnen, da die zweite Jahreshälfte rfahrungsgemäß die stärkere mit Arbeiut belastete ist. Immerhinque: Ich habe mein iPad abgegeben, statt dessen habe ich jetzt einen richtigen transportablen Computer, ein MacBook Air. Mit dem kann ich auch von unterwegs problemlos kommunizieren, vor allem Sachen schreiben. Codirete zum Beispiel. Ich werde ja die ersten beiden Novemberwochen in München sein. Da muss das kleine leichte Teilchen seine Feuerprobe bestehen...

Was mich die ganze Zeit auf Trab gehalten hat, war die Ausstellung zur Wiedereröffnung der RAR Gallery. Erst galt es noch die Galerie auszustatten (Lichtinstallation war erst am Samstag vergangener Woche) und dann der ganze Rest aus 1000 Kleinigkeiten.

Die Eröffnung war sehr erfolgreich, trotz wirklich guten Wetters, das Viele mit Sicherheit in die Biergärten getrieben hat statt in die Galerie. Leider hatten wir Probleme mit dem Internet, so dass der Film mit Ultra Violet und Igor Kalinauskas nicht lief. Am Freitag, bei der Eröffnung des zweiten Teils der Schau in der EICHBLATT GALLERY contemporary art, in Berlin Weissensee, die bei noch schönerem Wetter auch sehr gut besucht war, lief er dann.

Es gibt hier einige Links. Was Ultra Violet sagt, ist oft höchst provokant und man kann es auch in der Literatur gar nirgends finden.

Vielleicht kann ich den Film im Fernsehen unterbringen, das wäre super, toll, prima, klasse und überhaupt.

Linkliste:
https://www.youtube.com/watch?v=-omR2TnLWEg
https://www.youtube.com/watch?v=gdVRSoY-A_M

Aber es ist schon erstaunlich, wie groß die Trägheit der asse ist. Wir haben altogether insgesamt und alles in allem mehr als 3000 Einladungen versandt, und, jetzt nur in Charlottenburg, zählten wir über den Abend verteilt 80 Gäste. 3000:80, eine Quote von 37,5 (1:beste Quote, 3000 schlechteste). Das muss heutzutage reichen...

Wirtzig: Die Galerie war voll mir Russisch sprechenden Menschen, und ich war so ziemlich der einzige, der dieses Idioms praktisch nicht mächtig war. Muss das vielleicht noch lernen. oh je.... hab mal vor 47 Jahren ein halbes Jahr Russisch gelernt... ob man das Reaktivieren kann?

Mit der Kuratorin, Christina Katrakis, will ich auch in der Zukunft eng zusammenarbeiten. Mal sehen wie es in den kommenden Ausstellungen wird. Geplant sind Kooperationen mit anderen Galerien, etwa CAS Salzburg (Ausstellung mit Igor Sidorin [wie war das mit dem Russisch?]). Und die Weihnachtsausstellung soll mit Mari Mssare sein, einer Georgischen Künstlerin, die in Berlin wohnt, lebt, und arbeitet.

Sidorin hat viel in Portugal gearbeitet, seine Bilder vereinen ein russisches Landschaftsgefühl, durch Weite und Einsamkeit charakteristisch bestimmt, mit lusitanischer Farben¬Glut und Saudade (kann man nicht übersetzen; es ist ein Ausdruck für ein von Sehnsüchten und Erinnerungen getragenes Lebensgefühl). Ein Vorgeschmack auf Igor Sidorin, von dem mich am meisten die oft aus autonomen Graphismen komponierten, leicht melancholischen Landschaften beeindrucken:



Igor Sidorin, Landschaft, 1969


Und zwei auf Mari Mssare:



Mari Mssare, Without Time, 2013


Mari Mssare, Queen of Hearts, 2006


Mari Mssare



Hier ist übrigens eine gute Anlagemöglichkeit für Risikokapital: Die RAR Gallery sucht nämlich ab sofort und asap a) einen stillen Teilhaber (mit Vertrag; Laufzeit 18 Monate, 500 Euro/Monat) und b) projektbezogene Sponsoren/Investoren (Beträge ab 500 Euro). Das kann man alles steuerlich geltend machen...

Schaut mal in eure Schubladen, ob da nicht noch irgendwie was rumliegt... (Das nennt man heute "Crowd¬‐Funding") Künstler sind meistens arm. So ist das. Auch in Berlin. Wie arm sie sind, kam in einem Interview zur Sprache, das Artnet. News mit dem Atelierbeauftragten des Berliner Senats, Florian Schmidt, geführt hat. Die gute Nachricht ist: Das Atelierhaus Prenzlauer Promenade bleibt, nach vier erfolgten, übel angekommenen Rausschmissen nun doch erhalten. 90 Künstler könne bleiben und zahlen für die Atelier 6,50 Euro Miete pro Quadratmeter.

Wem das billig vorkommt, dem kann ich nur sagen: Ich habe kürzlich in der Fritzschestraße in Charlottenburg eine Wohnung angeboten bekommen, frisch restauriert und renoviert, für 7,00 Euro den Quadratmeter. Warum ich sie nicht genommen habe? Sie bestand statt aus wenigen großen Zimmern (was ich benötige) aus vielen kleinen Zimmern. Also sooo toll ist das mit den Ateliermieten dann auch wieder nicht, und das mit der Fritzschestrasse war kein Einzelfall. 90 Qm im Wedding für 450 kalt. Warum ich die nicht genommen habe? Amerikanische Küche. Geht bei mir garnicht. Da legt sich in kürzester Zeit ein Fettfilm auf meine 4000 Bücher.

Zurück zu den Künstlern. Berlin hat ja den Ruf, billig und von daher attraktiv für Künstler zu sein. Was so allerdings kaum noch stimmt. Der in Berlin darbende Künstler hat im Schnitt ein Einkommen von 850 Euro. Zu viel zu Sterben, zu wenig zum Leben. Im Gegensatz zum Industriefacharbeiter, dem der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, unentgeltlich, muss der Künstler ihn erhalten. Das bedeutet in erster Linie Miete (plus Betriebskosten). Wohnen aber muss die Künstlerschaft aber auch noch. Die Belastung ist also doppelt und damit auf jeden Fall zu hoch. Mehr als 200 Euro kann ein Berliner Pinselquäler oder Holz¬‐Stein-Hauer nicht für ein Atelier aufbringen, was weit unter dem Marktpreis liegt. Künstlera teliers gehören aber zum Kern des Images von Berlin. Ohne die Künstler wäre Berlin so langweilig wie Kirchheim unter Teck.

Es wundert also nicht, dass viele der etwa 7000 Berliner Künstler bei sich zu Hause malen oder zeichnen...

In Berlin, obwohl es noch preiswerte Angebote gibt, steigen aber die Mitpreise. In Tiergarten (Moabit), wo die Gentrifizierung voll im Gange ist, hat ein Bekannter von mir einen Nachbarn gehabt, der auf der Essener Straße eine Wohnung für 900 Euro hatte (90 Qm). Die hatte er vor vier Jahren bezogen. Jetzt zoger aus und um, und der Nachmieter ist mit 1150 Euronen dabei. Das sind fast schon Ladenmieten. Das ist eine sehr ungesunde Entwicklung, die eine Diskontinuität zwischen Markt und wirtschaftlicher Realität in Berlin schafft. Und anderswo in der Welt genau so, wo man von Marktwirtschaft redet aber Sozialdarwinismus meint.

Wenn man das Zentrum von Berlin auswärtigen Investoren überlässt, verschwindet die Kultur, entweder an die Peripherie oder eben ganz. Und das wäre wirtschaftlich für Berlin so ziemlich das Schlimmste, weil die Kultur (Bildende Kunst, Musik, Theater usw.) Berlins Hauptmagnet ist. Wenn der ausfällt, gehen hier die Lichter aus.




Die Sonne bringt es an den Tag. Mal wie der. Das muss man sich mal vorstellen: Der Rasen in und um Stonehenge, eines der bekanntesten und bedeutendsten prähistorischen Denkmäler der Welt, wurde nicht richtig bewässert, weil die Angelsachsen (:-¬)) da nicht ausreichend lange Schläuche haben! Geht's noch? Aber immerhin: Dadurch wurde ein Teil der Wiesen praktisch trocken gelegt und man konnte plötzlich und unerwartet die Spuren von Steinen sehen, die weiland dort einmal standen. (S. Foto; Prinzip der Luftarchäologie der Boden vergisst nie). Und so hatte man auf einmal des unumstösslichen Beweis, dass Stonehenge in der Tat einen perfekten Kreis bildet. Yoladihü!

Wir kennen es alle, das Binnen-I. So nach der Marke "die KünstlerInnen der Akademie von XY..." und so fort. Entstanden aus politischer Korrektheit, weil man einer Frau nicht zumuten wollte mit zum Beispiel einer männlichen Berufsbezeichnung angesprochen zu werden. Es gab plötzlich keine weiblichen Richter mehr, nur noch Richterinnen. Hinweg die Differenzierung von Amtsbezeichnung und Personenbezeichnung. Geburtshelfer war natürlich, wie immer bei so etwas, eine Kombi aus Unwissenheit und Dummheit. Dass das grammatische Geschlecht NICHTS mit dem natürlichen Geschlecht zu tun hat, beweisen einmal Sprachen, in denen es mehr als drei (grammatische) Geschlechter gibt - Suaheli hat sieben! - oder eben gar keins, wie etwa das Armenische, Baskische, Chinesische, Estnische, Ungarische, Finnische, Koreanische usw. Und das "sächliche" Geschlecht bezeichnet alles, bloss kein Geschlecht: Der Tisch, das Boot, die Lampe. Alles drei "Sachen", aber eben kein sächliches Geschlecht.

Natürlich kann man ideologisch verklebten Gehirnen damit nicht beikommen. Schließlich geht es ja auch um die Behandlung der Frau in der Gesellschaft. Und auch da kommt wieder das Ungebildetsein ins Spiel. Wie eine Gesellschaft Frauen behandelt, entscheidet sich in der gesellschaftlichen Praxis, nicht in der Sprache. Wer, als auch linguistisch feministisch engagierte Weibsperson nach sprachlicher Gleichbehandlung und damit auch gesellschaftlicher Gleichstellung (so ist ja in nuce die Argumentation des linguistischen Feminismus) de (sorry, so schreibt es die Grammatik vor) sollte in ein arabisches Land auswandern. Dort wird Arabisch gesprochen. Und das Arabische unterscheidet peinlich genau zwischen männlich und weiblich. Doch die gesellschaftliche Praxis? Hat mit der Sprache nichts zu tun.

Aber auch das wird von linguistischen Feministen beiseite gefegt. Klar doch, der Ideologe (z. B. auch der Salafist) hat immer Recht. Egal wie bekloppt das ist, was er vorbringt. Der linguistische Feminismus, der uns das "Binnen¬‐I" beschert hat, ist aber selbst von unterdrückerischer, diskriminierender Natur, denn er diskriminiert alles, was (bei uns) nicht männlich, weiblich oder sächlich ist. Transgender und Androgyn zum Beispiel. Facebook hat jetzt 50 (FÜNFZIG) Möglichkeiten geschaffen, in seinem Profil das Geschlecht zu bestimmen. (Androgyne, Androgynous, Pangender, Trans, Trans Female, Trans Man usw.) Das dürfte dann der Tod des "Binnen-¬I" sein. Wir können stattdessen ja "50" schreiben: "Die Künstler50 der Akademie in XY..."



UNSERE FREUNDE, DIE SIPHONOPHOREN

Sie heisst "Portugiesische Galeere" (Foto). Diese Art aus der Gattung der "Seeblasen" (Physalia) ist eine der Siphonophoren mit denen man durchaus in Kontakt kommen kann, der allerdings eher unangenehm bis manchmal sogar tödlich ist. Man findet diese Staatsqualle durchaus vor Portugal und vor den Kanaren, allzuweit braucht man also nicht zu reisen. Auch die Gewässer um Malta und die Karibik bevölkert sie. Florida ist auch ein Ort, wo sie sich im wahrsten Sinne des Wortes herumtreibt. Die "Botella azul" (Blaue Flasche) schwimmt oben auf dem Wasser, ihre voll benesselten Tentakel können 15 Meter lang werden. Da sie mit der Schwimmblase aus dem Wasser herausragt, wird sie vom Wind hingetrieben und auch her.

Auf den Tentakeln sitzen etwa 1000 Nesselzellen pro Zentimeter. Sie verschießen ein Giftgemisch aus diversen Proteinen. Die Quaddeln schmerzen höllisch für etwa eine Stunde (Gegenmittel: Essig, bloss kein Wasser!), Allergiker und geschwächte Menschen können am Nesselgift sterben (kommt selten vor). Karettschildkröten verzehren die Galeeren mit Vorliebe, auch die riesenhaften Mondfische sowie einige Schneckenarten. Na dann viel Spaß beim Baden!



Gerhard Charles Rump, RAR Gallery, 7 September 2014

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